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02. Mai 2023
7. Jahreskongress Finanzierung: Zinswende hemmt Projektentwicklungs- und Transaktionsmarkt
• Rund 200 Teilnehmer und 18 Referenten diskutieren aktuelle Themen
• Weitere Preisrückgänge auf dem Immobilienmarkt erwartet, aber kein Preisrutsch
• Umfrage: Teilnehmer sehen weitere Preiskorrekturen bei Wohnimmobilien
Stuttgart / Berlin, 2. Mai 2023 – BF.direkt, IREBS und RUECKERCONSULT haben am 27. April 2023 in Berlin den siebten Jahreskongress Finanzierung für die Real Estate Industry veranstaltet, an dem rund 200 Gäste teilnahmen. Kernthemen waren unter anderem die Auswirkungen von hoher Inflation, Zins- und Energiewende sowie stark gestiegenen Baupreisen auf die Immobilienbranche.
Zur Begrüßung sagte Francesco Fedele, CEO der BF.direkt AG: „Die Immobilienbranche hat in den vergangenen zwölf Jahren teilweise wie in einer Traumwelt gelebt. In den Jahren zwischen 2012 und 2021 waren fallende Preise oder steigende Zinsen kaum vorstellbar. Nun müssen wir uns als Branche neuen Realitäten stellen.“
Prof. Dr. Steffen Sebastian, Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienfinanzierung an der IREBS, der als fachlicher Leiter durch den Jahreskongress Finanzierung führte, kommentierte: „Wir erleben seit letztem Frühjahr einen Zinsanstieg in einer noch nie dagewesenen Geschwindigkeit. Dies hat gravierende Folgen: Die Projektentwicklungstätigkeit wurde, wenn möglich, eingestellt und der Transaktionsmarkt kam fast zum Erliegen. In dieser – etwas gelähmten – Situation befinden wir uns noch immer.“
In seiner Keynote zum Auftakt gab der ehemalige Chef der „Wirtschaftsweisen“ Dr. Dr. h.c. Lars P. Feld, Direktor des Walter Eucken Instituts in Freiburg, zu bedenken: „Die Inflation wird uns weiter drücken. Die Wohlstandsverluste, die durch die Inflation kommen, werden für die Bürgerinnen und Bürger nicht zu vermeiden sein. Für dieses Jahr erwarte ich keinen allzu starken Rückgang der Inflation. 2023 werden es sechs Prozent sein, im kommenden Jahr drei bis vier Prozent.“
Maßnahmen zur Regulatorik gehören auf den Prüfstand
Wie der Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp) die Risiken aus dem Immobilienmarkt einschätzt, erklärte Hauptgeschäftsführer Jens Tolckmitt in seinem Vortrag: "Die Trendwende bei den Immobilienpreisen verfestigt sich. Die Entwicklung ist noch relativ moderat, kein Preisrutsch. Wir erwarten weitere Preisrückgänge, doch mit differenzierter Ausprägung. Eine Preisblase wird nicht platzen.“ Tolckmitt warnte: „Die bestehende Regulatorik verstärkt den Anreiz, Geschäfte außerhalb von Bankbilanzen abzuwickeln.“
Flankiert wurde die Keynote von einer Umfrage unter den Teilnehmenden des Jahreskongresses Finanzierung. Der größte Anteil der Befragten, 36 Prozent, erwartet Preiskorrekturen bei Wohnimmobilien von im Schnitt fünf bis zehn Prozent in den kommenden zwölf Monaten.
GdW-Präsident Gedaschko: Nur 200.000 neue Wohnungen pro Jahr realisierbar
Die erste Paneldiskussion ging der Frage nach, was rasant gestiegene Zinsen, Inflation und Energiekrise für den Immobilienmarkt bedeuten. Axel Gedaschko, Präsident des GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, sagte: „Mittelfristig werden bundesweit eher nur 200.000 statt 400.000 Wohnungen pro Jahr entstehen und deutlich weniger als geplant energetisch modernisiert werden können. Das ist Gift für das bezahlbare Wohnen, das Klima und den sozialen Frieden in Deutschland."
Aufschub von Projektentwicklungen macht sich 2026 bemerkbar
Zahlen, Daten und Fakten zum Developer-Markt lieferte André Adami, Bereichsleiter Wohnen bei der bulwiengesa AG, in seinem Impulsvortrag. 15 Prozent bzw. elf Millionen Quadratmeter der in Deutschland geplanten Flächen wurden allein im ersten Quartal 2023 geschoben. Stark bemerkbar wird der Rückgang der Bauaktivität vor allem ab 2026.
Zur Lage bei der Finanzierung von Projektentwicklungen sagte Jörn Stobbe, Sprecher der Geschäftsführung der Becken Holding: „Nur für Produkte, die hohe ESG-Anforderungen erfüllen, können stabile Entwickler derzeit zu adäquaten Konditionen eine Finanzierung bekommen. Diese werden typischerweise nicht von klassischen Finanzierern gewährt, sondern stammen häufig von alternativen Finanzierern."
Wohnungsmangel gewinnt an Brisanz
Die stockende Bautätigkeit sorgt besonders auf dem Wohnungsmarkt für Probleme. „Die Lage war ohnehin schon sehr angespannt. Die Situation hat sich weiter verschärft: Aktuell trifft eine starke Zunahme der Bevölkerung infolge von Migration und Fluchtbewegungen auf einen drastischen Einbruch des Wohnungsneubaus“, sagte Aygül Özkan, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA) auf dem Panel zur Wohnungspolitik. „Weitere Schwierigkeiten ergeben sich durch die Immobilienfinanzierung, weil sich die Zinsen in kürzester Zeit vervierfacht haben. Hinzu kommt, dass aufgrund der Risikovorsorge der Kreditinstitute mehr Eigenkapital bei der Gewährung eines Immobilienkredits benötigt wird. Es gilt ein Dilemma aus derzeit zwei bis drei Prozent Rendite im Neubau zu vier Prozent Fremdfinanzierungskosten aufzulösen.“
Dr. Rof Bösinger, Staatssekretär im Bundesbauministerium, räumte ein, dass Deutschland das Ziel von 400.000 neuen Wohnung in diesem und wohl auch im nächsten Jahr verfehlen wird. "Wir brauchen eine Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung. Das geht nur mit einer Anpassung der Landesbauordnungen", sagte er.
Energieschleudern bergen hohe Risiken
Das abschließende Panel befasste sich mit einem der drängendsten Themen der Immobilienwirtschaft, den Herausforderungen des Klimaschutzes. In seinem Impulsvortrag veranschaulichte Prof. Dr. Sven Bienert, MRICS REV, Leiter des Kompetenzzentrums für Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft an der Universität Regensburg, wie die transitorischen Risiken den Wert von Immobilien beeinflussen können: „Frankreich hat ab 2028 ein Vermietungsverbot für die zwei schlechtesten Gebäudeenergieeffizienzklassen bei Wohngebäuden verabschiedet. Die Niederlande verhängen ab 2023 ein Vermietungsverbot für Bürogebäude der vier schlechtesten Energieklassen. Auch die EU plant mit einem Vorlauf von acht Jahren ein ähnliches Verbot.“
Die Transformation des Büroimmobilienbestandes zur Klimaneutralität wird durchschnittlich 20 bis 40 Prozent gemessen am aktuellen Verkehrswert kosten, so die Einschätzung der Teilnehmenden am Jahreskongress Finanzierung. Bei der Umfrage schätzten weitere 14 Prozent der Teilnehmer die Kosten auf 40 bis 60 Prozent ein, 13 Prozent sahen sie nur bei 0 bis 20 Prozent.