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14. Juli 2022
Langfristige Inflationserwartungen sind moderat
Trotz der Inflationsrate von 7,9 Prozent im Mai sowie steigender Zinsen erweist sich die Immobilienbranche grundsätzlich als krisenresistent. Die Zinsentwicklung der 10-jährigen Bundesanleihe zeigt, dass langfristige Zinsen ein Plateau erreichen, auch weil der Spielraum für Zinserhöhungen beschränkt bleibt.
Die gestiegenen Baukosten und die höheren Zinsen setzen die Branche insgesamt deutlich unter Druck. Einige Neubauprojekte wurden abgesagt oder ausgesetzt; insbesondere gemeinnützige Wohnungsbauprojekte rechnen sich nicht mehr. Aber der Höhepunkt der Baukostenentwicklung scheint bereits erreicht. Einige Materialpreise sind bereits wieder gesunken – wie beispielsweise der Holzpreis. Grundsätzlich aber erweist sich die Immobilienwirtschaft bislang als sehr krisenresistent. Auch ist die Stimmung trotz der nicht einfachen Situation bei vielen Marktteilnehmern tendenziell positiv. Zudem finden weiterhin große Transaktionen und Finanzierungen statt, wenngleich der früher klassische Forward Deal derzeit nicht mehr vorkommt. Die Banken sind weiterhin vorsichtig, aber auch nicht wesentlich vorsichtiger als zu Jahresbeginn.
Insgesamt ist die Krise aber noch lange nicht vorbei. Der Krieg in der Ukraine bewirkt auf unbestimmte Dauer hohe Energie- und Rohstoffpreise. Auch Corona liegt noch nicht hinter uns. Derzeit hat insbesondere die Situation in China erhebliche Auswirkungen. Der Lockdown ganzer Städte trifft die Produktion empfindlich. Zusätzlich blockiert die wiederholte Stilllegung des internationalen Handelshafens in Shanghai Warenlieferungen aus der ganzen Welt. Da China die strikte Null-Covid-Strategie voraussichtlich auch in Zukunft beibehalten wird, ist für nicht absehbare Zeit mit anhaltenden Störungen der internationalen Lieferketten zu rechnen.
Zentralbanken haben wenig Einfluss auf Inflation
Die gestiegenen Energiepreise und der Rohstoffmangel treiben weiterhin die Inflation und damit indirekt die langfristigen Zinsen. Die Zentralbanken haben hier wenig Einfluss. Üblicherweise erhöhen sie zur Inflationsbekämpfung die Zinsen, damit die Verteuerung von Kreditkosten die Nachfrage von Unternehmensinvestitionen und privaten Konsum dämpfen sollen. Die aktuelle Inflation ist aber durch zu niedriges Angebot getrieben, dass sich durch höhere Zinsen eher weiter verschlechtert.
Es bleibt offen, wie die Zentralbanken hier auf lange Sicht reagieren werden. Die US-amerikanische Notenbank FED hat bereits mehrfach die Zinsen sehr aggressiv erhöht und weitere Zinserhöhungen angekündigt. Die FED will damit sozusagen die Nachfrage dem gesunkenen Angebot anpassen, nimmt damit aber einen Einbruch der Konjunktur offensichtlich in Kauf. Die Europäische Zentralbank ist hingegen weiterhin zurückhaltend. Zwar hat sie für den 21. Juli eine erste Zinssteigerung angekündigt und wird diese aller Wahrscheinlichkeit nach auch umsetzen. Aber sie hat parallel dazu – in sehr freier Interpretation des eigenen Aufgabenbereichs – einen neuen Grund gefunden, den Anlauf von Staatsanleihen aus Südeuropa erst einmal wieder auszuweiten. Sollte die Konjunktur in Europa einbrechen, halten wir es für durchaus möglich, dass die EZB auch wieder expansive Maßnahmen ausweitet.
Zinsentwicklung
Im Juni sind die langfristigen Zinsen gestiegen. So stieg der 10-Jahres-Zinswap von 1,84 Prozent am Monatsanfang auf 2,28 Prozent am Monatsende. Der Anstieg bei den kurzfristigen Zinsen fiel gleichermaßen stark aus. Der 3-Monats-Euribor stieg von -0,335 Anfang Juni auf zuletzt -0,195 Prozent. Der 6-Monats-Euribor stieg ebenfalls von -0,334 am Monatsanfang auf zuletzt 0,263 Prozent.
Ausblick
Mehrere Wissenschaftler und führende Chefvolkswirte rechnen damit, dass die Inflation mittelfristig wieder deutlich sinken wird. Wer der Wissenschaft nicht glauben möchte, kann die sogenannte Breakeven-Inflationsrate zu Rate ziehen, d. h. die Differenz von herkömmlichen Bundesanleihen und ihrem inflationsgeschützten Pendant. Diese zeigt derzeit an, dass diese Inflation für die kommenden zwölf Monate zwar bei etwa 5 Prozent liegt, für die kommenden 8 Jahre aber nur bei 2,27 Prozent. Das bedeutet, dass die Investoren darauf vertrauen, dass die Inflation sehr bald wieder deutlich sinken wird, wenngleich deutlich höher als das Vor-Corona-Niveau. Theoretisch wird der Euribor bzw. die kurzfristigen Zinsen auch sehr bald auf über 2 Prozent steigen. Es bleibt abzuwarten, ob die EZB dies wirklich umsetzen wird. Wir halten dies auf absehbare Zeit für eher unwahrscheinlich. Und auch die FED wird die Zinsen wieder senken, wenn die Auswirkungen auf Konjunktur und Arbeitsmarkt zu stark werden. Zudem verträgt auch die hohe Verschuldung vieler Staaten im Europäischem Währungsraum kein sehr hohes Zinsniveau. Dennoch ist die Zeit der ultraniedrigen Zinsen wahrscheinlich für immer vorbei. Die Niedrigzinsphase wird aber noch eine Weile anhalten.
Disclaimer:
Die Beiträge geben die Meinung der Autoren wieder. Gleichwohl übernehmen Anbieter und Autoren keine Haftung für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität der bereit gestellten Informationen. Insbesondere sind die Informationen allgemeiner Art und stellen keine rechtsbindende Beratung dar.
Herausgeber
Francesco Fedele Prof. Dr. Steffen Sebastian
Prof. Dr. Steffen Sebastian
Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienfinanzierung
an der IREBS, Universität Regensburg
Francesco Fedele
CEO, BF.direkt AG